Badische Zeitung vom Freitag, 25. April

Hinein oder heraus?
AUGENSACHE (1): Kaufhäuser und ihre Eingänge

Überschreiten. Ein Portal ist keine Hintertür und einem Seiteneingang wird nicht die selbe Aufmerksamkeit zu Teil, wie einem Haupteingang. Gebäudeöffnungen werden mit Bedacht gerahmt und gestaltet. Gestaltung bestimmt, ob drinnen ein Universum wartet oder Enge; ob Zugehörigkeit drinnen ist oder Verlorenheit. Im Haupteingang zum Kaufhof in der Freiburger Kaiser-Joseph-Straße liegt ein Fußabtreter mit dem halbreisförmigen Logo des Unternehmens. Der Halbkreis ist zur Straße hin geöffnet. Wer also die Straße verlässt und den Eingang passiert, der überschreitet. Nicht nur eine Schwelle, er verlässt einen Kreis - den Kreis, in dem er vordem war. Wer aber dem Kaufhaus den Rücken kehrt, kehrt zurück in seinen Kreis.

Demgegenüber ist der Eingang des Modehauses Kaiser in der Schiffstraße selbst kreisförmig gestaltet. Wer die Straße verlässt und die Tür durchschreitet, dringt ein (in einen Kreis). Der Eintretende betritt diesen Kreis indem er das bestimmungslose Einerlei der Straße verlässt. Wer geht, tritt aus. Eintreten im Kaufhof bedeutet: Heraustreten (aus dem abgezirkelten Raum der Straße). Eintreten bei Kaiser bedeutet: Eindringen (in den Zirkel des Unternehmens). Wer das Kaufhaus verlässt, verlässt ein unbestimmtes Universum - wer das Modehaus verlässt, verlässt den Kreis (der Gleichgesinnten anderen). Im Kaufhof-Universum sein bedeutet, seinen Alltag verlassen haben - bei Kaiser sein bedeutet, in den Zirkel eingedrungen, am Ziel zu sein. Vor der Tür bei Bogner, am Augustinerplatz, gibt es übrigens eine Kreisfläche im Bodenbelag. Wer sie betritt, ist im Zirkel des Kreises selbst. Und frei, in alle Richtungen zu gehen.

Richard Schindler

http://www.badische-zeitung.de/1051605753268