Der Birnbaum ist ein ‘Ding’, das tatsächlich hier stehen könnte: ein
alltägliches, triviales ‘Ding’ - aber zugleich fällt es total aus der
alltäglichen Ordnung heraus: zu Zeiten (zu seiner Zeit - im Frühling)
ist der ‘Baum’ wirklich: ein blühender Birnbaum; zu Zeiten (im Winter)
ist er unwirklich, ein Traum.
Im Gang der Jahreszeiten wird das Kunstwerk im Frühjahr Bestandteil
der Natur, im Winter ein Überrest, der aus der Natur heraussteht.
Umgekehrt wird auch Natur Bestandteil des Kunstwerks: es ist nur was es
ist, in Relation zu dieser: Unauffällig, normal im Frühjahr; merkwürdig
fremd und doch vertraut im Sommer; ein unzeitgemäßer Überrest, Zeichen
nostalgischen Rückblicks im Herbst; ein unzeitgemäßer Vorbote, Zeichen
hoffenden Vorausblicks im Winter.
Diese Verschiebung oder Lageveränderung in der Zeit (oder die
Anamorphose der Zeit selbst) rückt das ‘Ding’ an eine jeweils andere
Stelle im symbolischen Universum der Bedeutungen.
Ein Wanderer zwischen den Zeiten - oder (umgekehrt) ein ewig
präsentes, mit sich selbst identisches ‘Ding’, das in seiner Zeit, auf
seiner Zeit beharrt, während drum herum sich alles dreht: Ein
stillgestellter Augenblick, eine plastische Fotografie - ein
a-historischer Kern, jenseits und diesseits der Zeit: ein Kunstwerk.
Blühtenbäumchen, Bronze, nach Van Gogh, Detailmodell, 1994
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